Dienstag, 16. Januar 2018

Das STUFENGEBET (8/15)




Das „Confiteor“
Wie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche Ordnung  kannte, so ging es auch dem Confiteor. Ein einheitliches Formular gab es lange Zeit nicht dafür.

Ein Vorläufer der späteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie: „Vor dem Angesicht deiner göttlichen Majestät, o Herr, und dieser deiner Heiligen bekenne ich dir, meinem Gott und meinem Schöpfer, durch meine Schuld, denn ich habe gesündigt in Stolz in Haß und Neid, in Begierde und Geiz, in Unzucht und Unreinheit, in Rausch und Trunkenheit, in Lüge und Meineid und in allen Lastern, die aus diesen hervorgehen. Was noch? Durch Sehen, Hören, Geruch, Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken, Worten und Taten bin ich verdorben; deshalb, der du den  Sünder gerechtfertigst, rechtfertige auch mich und laß mich auferstehen vom Tod zum Leben, Herr mein Gott.“

In dieser Apologie spricht der Zelebrant ein ausführliches Bekenntnis seiner Sünden und Fehler vor seinem „Gott und Schöpfer“, in dem auch bereits das spätere mea culpa vorkommt, wobei ein ausführlicher Sündenkatalog erwähnt wird. In den späteren Confiteor-Formeln geht man von diesen Sündenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione, verbo et opere [daß ich viel gesündigt habe in Gedanken, Worten und  Werken]. Der bedeutendste Unterschied liegt aber darin, daß das Bekenntnis nur vor Gott erfolgt, während in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Sünde aufscheint. Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt, die auch um Fürbitte vor Gott gebeten werden.

Diese ursprüngliche und weitverbreitete Apologie führte dann ab der Jahrtausendwende zu den ersten förmlichen Confiteor-Formeln. Eine sehr kurze, frühe Formel war in Cluny um 1080 in Gebrauch:
„Ich bekenne Gott und allen seinen Heiligen und euch, Vater, daß ich gesündigt habe in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld. Ich bitte euch, betet für mich.“
Diese neue Form des Sündenbekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck, was für alle späteren Confiteor-Formeln auch gilt: das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche, die Fürbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und, im Bewußtsein der communio sanctorum, an die himmlische.

Schon bald, auch schon im 11. Jahrhundert, waren auch längere Formeln üblich. Sie wurden immer ausgedehnter, so daß das Generalkapitel der Zisterzienser im Jahr 1184 bestimmen mußte, daß vor allen Heiligen die Gottesmutter zu nennen sei: Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis.

Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen, vor allem im zweiten Teil, immer weiter an. Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314, außer Maria nur noch Michael, Johannes den Täufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen, wie wir es noch heute tun.

Auch die Umschreibung und Aufzählung der Sünden wurde immer konkreter. Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Sündenbekenntnis in specie, wie man es mancherorts vom Chorgebet kannte. Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein, die für die sakramentale Beichte dienten. Die mittelalterlichen Liturgieerklärer mißbilligen diese Entwicklung, da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein öffentliches Bekenntnis handle.

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen, wie diverse Meßordines erwähnen, wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muß. Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon früh erwähnt.

(Martin Reinecke in: Dominus Vobiscum 10, 2015)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen